Lila Regenflieg

Die Zeitwaisen

Textlich Bildlich Klanglich Denklich

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trip trip

in: Alles und Nichts …

triptychon

ich bin so müde, daß ich von der decke falle
im fallen beschaue ich gespannt, bespanne ich geschaut ? meinen fall,
zu boden fall, erwarte den aufprall, erwarte einen knall.
während ich durch lichtschwärme stürze,
- dröhnendes licht, betäubendes licht, ohrenbetäubendes grünes trommeln -
fahren meine augen an der decke karussel.
über mir schlagen die halme eines feldes zusammen,
gekörntes goldenes gelb
erst war es grün.
ich falle
ohne ende in seidenstille
aus einem schal heraus
und hänge mich selbst -
lang aus.

im fallen verfolgen die füße das gesicht auf den händen.

wie ich in wellen zerfließe und rinne,
meine roten sinne liegen kahl,
sphärische spallation, dort unten teilt sich mein körper, spaltet sich,
ein riesiger schoß,
und alle grüntöne des wassers wellen
luminal.
ich leuchte kaleidoskopisch
und höre mich rufen: ach ! alles nur hülsen!
verdammte höllenfrucht!
es hallt
in rissen
verläuft mein herz
ohne wissende wiedersucht.

ein erzählendes zittern wellt von dort unten bis nach hier oben fort.

ich bin aufgeschlagen
hin und her
geschlagen in spalten
aufgeschlagen
irgendetwas kerbt sich in meine haut
ameisenschwer
aufgeschlagen
fall
ohne ende
erst war es grün
dann war es gelb -
ich falle nicht mehr.

nach dem auf-fall kalibriere ich mein selbst.
mühsam setze ich meine hände zusammen
und hebe mein auge auf die bewußtlosigkeit.

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der die das - hanglos zu summen

dritter Gesang

in: Alles und Nichts …, Absurdes
Absurdes Theaterstück

13. das kind das nie müde ward – geschnappt vom hahn

„lasz uns müde spielen“ sagt das kind.
der hahn steigt gehorsam aus dem armaturenbett
und fläzt sich in die nesselseide eines neuen sitzes.
er löffelt schnaps aus einer eierschale.

„die sonne setzt sich um sex zur ruhe“ sagt er zwischendrin. das kind setzt sich ans bett und stampft ungeduldig mit dem breifusz. es ruft: „lasz uns müde spielen! dreifusz, breifusz, entzweifusz!
dummer fogel, blödes sein, messerschwarte, pulverscharte, mit dir, da mach ich hühner klein!“

der hahn schwankt ein wenig, er ist sich nicht sicher auf seinem bein, soll er sofort oder nicht oder später die flucht ergreifen und sie gegen das kind richten oder gegen sich selbst oder ...

er entscheidet sich, spannt sich, beginnt den eierlauf um den in der mitte des zimmers stehenden tisch, schieszt aus dem lauf heraus die erste kugel und – trifft !!!
tödlich wie nie zuvor - das kind.

in der nun eingetretenen, völligen stille setzt sich der hahn an den tisch, ölt sein teebäumchen und beginnt an der schreiborgel ein vivacissimo allegro mit einfachem durchschlag auf kindlichtem pergaminpapier zu komponieren.

als er fertig ist, zieht der hahn den bogen aus der orgel.
an dem durchschlag haftet das grauen wie ein passiertes ei.

so es sei.


14. während die rezipientin sich zur erhaltung des gesichtes durch grüne brillen konservierte, wendete der flaschenzug sich zum rotlicht hinab.

dem rezipienten erschien das sehr dienlich,
da sein brennglas eine hohe spannweite erforderte.

brillen von grünem glas
dienen zum erhalt des gesichtes
denn insgeheim verhindert grün
den allzu starken eindruck des lichtes !


15. die blondäugige hyäne !
im letzten falle sieht sie die rothe farbe bis ins innerste.
dann ward sie vom wind zerstreut und nie wieder gesehen.


16. der vorgang, der damit zu tun hat, die unerhörten vorhänge durch öffnen und schlieszen zu durchlüften, versteifte sich beim groszen staatstheater zur kompositorischen kante. das war sein abstieg, vom türsteher zur konserve.


17. die halbseidenen fliederfüszer tragen den eigengeruch vor sich her. die dame liegt nicht richtig. ihr duft, der sich hemmungslos beim selbstzersetzen entfaltet hatte, hängt freischwebend in der umgehungsluft zwischen ruchlosen gräsern.
in ihren zimtroten lippen unter dem dunklen zindeltaft ist noch der schwanz eines fisches zu sehen.
die fliederfüszer nennen sie ehrfürchtig ‚unser liebes futter mi-florence‘.
würdevoll tragen sie ihren eigengeruch vor sich her.
(aus: cu-marina, eine see-renade der selbstzersetzung vom süszlichen fleische der florence)


18. er warf ihr ein paar tage vor, auf die sich stürzte wie ein hund. die jungfrau aber hat das zinnober der küsse unter den leisten versteckt und führt nun zimt im mund.

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donner-stag

in: the daily horror — Szene 43
Alles und Nichts …
Komödie

bin heut freier hueter.
kein sturmgeheul. kein regen, keine sonne,
einfach NICHTS ! und das soll man nun ertragen?
nein, soll man nicht man will
ein wenig die monas durch den garten tragen,
sie hin und her legen, verblättern, sie nach ihrem befinden
befragen, ob es ihnen fein und angenehm ist ... ob es noch
was zu ihren wünschen gibt das man ihnen zu füßen werfen
könne, das sich selbst ganz sicherlich ... und dann ein wenig die backofentüre öffnen, mit den hufen scharren und hänsel und gretel spielen. kasch kasch kasch. kasch-perle, bist du schon da? kaschper am brotstuhl, mit dem flintengewehre, schießt in die menge, managerie. drei vierecke zerplatzen,
fünf rosen verrauchen und machen ein beleidigtes gesicht.
an einem kopf pickern unendlich spatzen.
:(
äh, wie fürchterlich.

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Die Kinder

In stillgelegten Lebendigkeiten
wachsen so gut die Mutlosigkeiten
und begrenzte Fähigkeiten
behindern dann für alle Zeiten.

In der Erstarrung entwickelt sich
ein enges Kleid - Gehorsamkeit
und verbotener Übermut
tut vor allem Eltern gut.

Als Vielfalt getarnte Gleichheit
fördert auch die Beschränktheit,
der Kopf ist voll und trotzdem leer,
Denkfähigkeit verliert sich immer mehr.

Bei Kleinen gibt es schon Psychosen,
Kleingeistigkeit dann bei den Großen,
Mädchen werden emanzipiert
und Jungen domestifiziert.

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krempelwolf

der wolf verrät sich durch seine blondköpfigkeit,
die geißlein präsentieren rosa schlüpfrigkeit,
die geiß vergnügt sich mit weißer pfote im schoß,
dem jäger knallt der kopf weg - blank und bloß.

ein umtrunk findet statt.

hernach krempelt den wolf die ziege um,
wobei sie sich geschmeidig macht,
die geißlein weiden den jäger aus,
dann gehen alle befriedigt nach haus.

das war's.

der wolf lag nackt wie adam da,
das jägerlein war arg zerfetzt,
die wack'ren steine mit blut beleckt.

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ich-spiele

in: the daily horror — Szene 102
Alles und Nichts …
Absurdes Theaterstück

noch sitz ich mich ausbrütend mich
aussitzend in schwitzperlen unterm
hölzernen das deutsame gefieder
ausgebreitet weit nach allen seiten
geöffnet und das gedächtnis forscht
zwischen den kleinen betrogenheiten
firnis riechend auch wie belesen
das auge ist und wie verschlingend
da ich mich doch aufpfropfe nach dem
geopfere und überhänge, mit den
verbrennungen als markierzeichen.

die füße wie (zwei) kleine kinder müde
vom spiel im spiel übereinanderfallend
einander überfallend miteinander spielend
auch sich etwas vorspielend, etwas nur,
ein wenig auch wie gefaltet, lachsam,
haarlos und mundlos gepflügt wie das
verlorene tonlos überschlagen überworfen
einander übergeworfen wie zueinander verholfen
sind sie unbeholfen verdorben, die vertrockneten
füße aufgesprungen auf haselruten, reusengedörrt.

aus den fingern wächst es mir rinnt das
grannengesicht ganz von selbst zu boden
in ständigem geriesel sitz ich und lass mich
kleine prinzessin an fadenverkörperungen,
diesen brüchigen haarknoten in mich selbst hinab
in diese tiefe, in diese wirrnis, unterste wirrnis
hinauslauschend und selbsthörend wie unwillkommen
ich doch bin, vollkommen dort, den eigenen mund
im ohr und haar um haar fällt zu boden - golden;
mir entgeht nichts.

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tierrest an luftalge

der fadenartige
spürt keine luft mehr zum atmen
in seinem kopf. kehl-kopf auch. der wind

treibt es zu toll.
ein zutreibender versingt die
letzten worte, verschlungen

mit dem faden.
neben weiteren knochenfunden
liegt grüne haut, frosch vergrünt

durch biliverdin.
darüber der pferdeschädel mit augen
auf und die bleckenden zähne …

welch ein furchterregendes rot!
rot, so rot, so schamrot in grün.
die nacht hockt sich über den boden.

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tag t bis v

in: sich ent-schrei-bendes — Sektion 7
Alles und Nichts …
Absurdes Theaterstück

verkleisterte zeit – nebelfluse - verglääste

geäste. milchmotterboden.
gehäcksel geerdet. mutterboden.
im schleimhaarverkehr.

bruchstücken bestirnter tage blieben kleben
und jch weckte sie in flaschen ein, verschlossen und auch ernstgemeint.
hochgestimmt bestimmungsvoll war jch nachseherin der gegenwärtigkeit.
jetzt ist das tempo null, in allen flaschen.

auch sind es jetzt nur sekundenzellen, sekundenhotel und wie im stromstundenrondell hallen die rufe nach:.
mach schneller! mach schnell!

rufmütterchen, ziehmütterchen, du findest mich nicht und du holst mich nicht ein.

denn jch fliege im liegen, überliege gruppenkosmotisch und
mein blick bleibt nicht hängen, beim überfliegen.
welche form sollte die richtige sein?

demi semi halbmembran
die semipermeable handmembran, ein drama !
wie ein zauberspruch:
an der wand, die uhrpumpe, stellt sich nicht ein.

jch lasse meinen handschuh fallen und fächel algebra lie,
einen ge-h-eim-c-ode ums gebein. auch lu-ftig soll er
sein und runtergehen wie lein-öl-lein oder leim-öl-leim?
das ist: ge-h-eim.
CO
t
CO
LU
O
dann flüster jch mir leise zu:
mein fünftes v-o-r-h-a-n-d-e-n-s-e-i-n.

o ihr ! augen ! ocellen !
mein ocellus hinkt, mein ocell-auge blinkt,
blinkt ochsenaugen entgegen
und dann geschwind an ihnen
vorbei.

schellen schnellen,
gleiten mir durch die hand, am strumpfband entlang
und läuten den fruchtfeigenkörper ein.

dann, ein subversives verb-äugen.

kleben, klebte, klebe. einwurfflaschen.
verflanschungen kieselweißer schotter
im schlotter-lotter-bett, der zug fährt ein ….
mich schüttelt’s zwischen den wänden

stell meinen kopf in die vitrine.
jch bin ritter in terrinen.
alle dinge über - stürzen,

schlag doch endlich einer die scheiben ein !!!!
komm doch, komm doch! e-n-d-l-i-c-h
her-ein!

und über mir die otter
singen otters mutter aria,
agnus maledei.
flutfutter sei.

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nach der lähmung

drehversuch

erschütternde nachbewegung der hand,
sich werfend, unnachgiebig, die köpfe
hinter sich lassend, verschnitten,
mit dem eigenen körper befasst,
diese tausend kleinen verworfenheiten.
es schüttelt mich, soviel ausgrabungen
könnte ich noch machen, wenn ich mich ließe,
kopfklackern, schlankeitsaugen, kopfkakalaken,
dazu dieses aufgeworfensein, geschmissen aus
den unterbrechungen des fließens, abhandlungen
während des schreibens, zerfließen, taukörper,
rohe masse und dann dieses verfallen in geworfen-
heit, hingeworfenheit, auch her, auch gerissen,
in verrückungen, zungenzucker ... außer der zeit,
außer des selbst sein, ein leben lang die fäden,
lang die zeitlosigkeit, die ewige zeitlosigkeit!

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der die das - hanglos zu summen

vierter Gesang

in: Alles und Nichts …
Absurdes Theaterstück

19. der fuchs im stall hat nicht die aufgabe hühner freizusetzen und dies geschieht nicht willkürlich, denn sie leben in verschiedenen welten und kennen sich nicht.


20. die verdammten schildkröten bilden grüne lieferketten und planen konkrete masznahmen um ihren co2-ausstosz zu reduzieren. sie betrachten nüchtern die sachlage und beschlieszen den ersatz ihrer passiven bauelemente durch tantal-austauschkondensatoren. somit reduzieren sie den lungendurchsatz auf das maximum und erhalten die begehrte schild-produkt-plakette. fröhlich geben sie sich nun dem kollektiven selbstmord hin.


21. leo, die den anschlusz versucht, bleibt für's erste versiegelt zurück. regelmäsziges einölen allein bringt dem falsett-gestell keine bodenwelle.
da erfindet sie sich zum spielen eine schönste gelegenheit. verträumt lackert sie nun durch die täche.


22. die kiste hat sich im wald verfahren. sie enthält eine leiche auf deren ausgestelltem körper sich die geier versammeln. dort suchen sie die antworten zu den acht studien ihrer stammesgeschichte.


23. das e in schreiben schrieb siebensachen auf einer scheibensardine
an belle isis:

e1.schienbeine basieren
e2.schneiderin einäschern
e3.anreisendes abschneiden
e4.binärische erbschäden abrechnen
e5.siechendes und schabendes anheben
e6.nähende seiden, sieden und schinden
e7.scheinende brechen und schreie nähren.

und so trieb die abrechnende isis eierschabend ins absichernde sein und schrieb an den sandschieber ein einschreiben, das bellend scheinbar barschend sei.
eine schreiende sache, scheinbar nie des sichernden seiend, am scheidebein im schneiderasen dem siebensacher seide weihen. und anderes an des brechen.eis: schaben bis die eisen brechen,
bahnschnitt nur aus rachen sprechen.

der sandschieber schrie, aus dem innern der nase und schrieb denn an sie ein geschriebenes sein. brach seiend die basis der bellenden isis auf schienen des basischen erdenscheins. rächend biss er ein binärisches rädchen und blies: ein reden sollte besser sein als barsche mit e und e in schreiben an ein gebrochenes nasenbein!
dann band er sich e wie es auf die stirn und schabte: dein barsch soll sieden im hirn!
so sieb deine asche, du belle isis im gleiszenden bannschrei der unebenheit. es scheiden die geister am ende der sendung am offenen mund aus: gebrochenheit.


24. der schneetreiber schmilzt durch den kusz einer dame. daraufhin türmt sich der schnee zu riesigen gebirgen. das herz der dame erfriert.

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tun und tat

in: the daily horror — Szene 21
Alles und Nichts …
Absurdes Theaterstück

mein kind,
das ich pulverisierte
durch wasserentzug
durch verbrennung
bis zum höchsten grad
bis zum n-ten grad also
und die asche dann fein
im mörser zu diesem grau-
rötlichen pulver zerrieben hab,
füllte ich in die kapseln,
die ich von den ärzten bekam
und die hier immer noch
herumlagen, die ich natürlich
zuvor entleerte und den inhalt
in die blumenbeete warf,
verzehre ich nun, zehre davon,
verzehre eine kapsel pro tag,
pro tag eine kapsel,
mein kind.

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handfas(s)er (kein glas)

in: the daily horror — Szene 28
Alles und Nichts …

ich schlief in der tür,
ich schlief immer dort,
in hab-acht-stellung,
gewahr der gefahr und
unter geschlossenen lidern
die knochen des bleiben-
wollenden hauses im blick.

die stimmung nach halb ∞
ist abgesackt, stimmgabel-
unendliches schlucken zum
metronom bleibt nicht er-
spart. metrisches karat,
getrocknete samenkerne.

knack mich, knick mach,
wunderstab- und ei-gerecht.
eine stimme hetzt zerfaserung,
zermarterung und die knochen
des hauses sind mit bleicher
blümchentapete bedeckt.

die alten morschen knochen,
verschämt versteckt.
und im inner'n der knochen,
steht ein trauerhaus, ein
langer blues ... o mark ...
durch zu lange verrenkung
verreckt.

schlucken im takte des metronoms.
knochen kochen. zermarterung und
mark. räum den knochen aus, im
zentrum steht ein trauerhaus ...
zemomentrum - es tickt die wanduhr:
alles spiel nur. wunderbar.

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