Lila Regenflieg

Die Zeitwaisen

Textlich Bildlich Klanglich Denklich

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gang 1

in: weltenuntergänge — Paragraph 1
Alles und Nichts …
Komödie, Groteske

auf den straßen und überall liegen schiffsplanken herum.
aus den fenstern ergießen sich bäche, ströme, meere.
fluten, ganze heerscharen von fluten.
die menschen sitzen in merkwürdigen behältern und
rudern zu zügen um ihre häute zu retten. sie sehen seltsam aus.
die hunde bellen die nomenklatur der weltenuntergänge
und lassen sich nicht treiben.
einige singen: fürch-te-het eu-heuch nicht.
kein wind kommt auf.


an den abenden fallen roll-läden vom himmel herab
wie höllische kaskaden,
man hört so manche gräßlich schreien.
hunde verkünden sensationelle
luftangebote, zum absoluten sonderpreis.
zum absoluten nullpunkt fahren,
−459,67 °fahrenheit. fahrende hunde,
weit und breit und preisende kujoten.
o. nomenklatur der weltenuntergänge.
te igitur ! und überall stehende o-rationen.

kleine dinge wachsen in den frühen,
unsichtbar für frau und mann,
wächsern wie die bleichen gesichter,
diesseits und jenseits der wolkenbahn.
eltern vermählen ihre kinder mit holzabfällen,
nur damit es etwas wärme gibt
und der siedepunkt wird ... DOCH NICHT ... erreicht,
trotz buchung in speiseräumen -
VOR-EI-LIG.

wenn keiner kreischt, ist es verdächtig.
seid still ! die hunde beten im kreidekreis.
einer spricht: so sind wir mächtig,
das war es, was gott wollte
und was kein anderer weiß.

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tag t bis v

in: sich ent-schrei-bendes — Sektion 7
Alles und Nichts …
Absurdes Theaterstück

verkleisterte zeit – nebelfluse - verglääste

geäste. milchmotterboden.
gehäcksel geerdet. mutterboden.
im schleimhaarverkehr.

bruchstücken bestirnter tage blieben kleben
und jch weckte sie in flaschen ein, verschlossen und auch ernstgemeint.
hochgestimmt bestimmungsvoll war jch nachseherin der gegenwärtigkeit.
jetzt ist das tempo null, in allen flaschen.

auch sind es jetzt nur sekundenzellen, sekundenhotel und wie im stromstundenrondell hallen die rufe nach:.
mach schneller! mach schnell!

rufmütterchen, ziehmütterchen, du findest mich nicht und du holst mich nicht ein.

denn jch fliege im liegen, überliege gruppenkosmotisch und
mein blick bleibt nicht hängen, beim überfliegen.
welche form sollte die richtige sein?

demi semi halbmembran
die semipermeable handmembran, ein drama !
wie ein zauberspruch:
an der wand, die uhrpumpe, stellt sich nicht ein.

jch lasse meinen handschuh fallen und fächel algebra lie,
einen ge-h-eim-c-ode ums gebein. auch lu-ftig soll er
sein und runtergehen wie lein-öl-lein oder leim-öl-leim?
das ist: ge-h-eim.
CO
t
CO
LU
O
dann flüster jch mir leise zu:
mein fünftes v-o-r-h-a-n-d-e-n-s-e-i-n.

o ihr ! augen ! ocellen !
mein ocellus hinkt, mein ocell-auge blinkt,
blinkt ochsenaugen entgegen
und dann geschwind an ihnen
vorbei.

schellen schnellen,
gleiten mir durch die hand, am strumpfband entlang
und läuten den fruchtfeigenkörper ein.

dann, ein subversives verb-äugen.

kleben, klebte, klebe. einwurfflaschen.
verflanschungen kieselweißer schotter
im schlotter-lotter-bett, der zug fährt ein ….
mich schüttelt’s zwischen den wänden

stell meinen kopf in die vitrine.
jch bin ritter in terrinen.
alle dinge über - stürzen,

schlag doch endlich einer die scheiben ein !!!!
komm doch, komm doch! e-n-d-l-i-c-h
her-ein!

und über mir die otter
singen otters mutter aria,
agnus maledei.
flutfutter sei.

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kuck- oder gesichtssichtung in verklumpungen und schlackeluft

in: sich ent-schrei-bendes — Sektion 10
Alles und Nichts …

nach sichtung aller verschlotterungen
in nachtschicht und schichtung
werden eng bestirnte halbgar- und
andere töne gut in flutdichten taschen verstaut,
bestaubt gebeugt und fest vertäut, unbestäubt.
alle anderen, gut gefüllten, gehen in luftreisen
ein und steigen auf. luftgallonen.

zu denen da droben.
die uns unsichtbar funken:
die luft riecht nach schlacke von euch da unten.

dann ein kuckucksrufen an morgendlicher wand.
kuckucksschreien. klebt kuckucksspucke am bienenbein?
brutlos lustlos flutlos lausch jch in mich hinein und sage laut:
„jch liebe ihn, un-platonisch.“
und: an-pluto-nisch sind wir verwandt.

zwischen den blättern, zwischen zetteln und scheinen,
komm jch ins wirrwarr von flunkernden, meinen
sporadischen erinnerungen, flunkerungen, hin-be-rungen:

DER MUNDTOD DER BEUTE IM SPRACHFORMALIN.

doch bevor jch mich entschließe, dem allen zu entfliehen,
will jch noch schreiben, mich selbst zuzuschreinen;
bahnen fahren an den wänden entlang, mein hände sind bang;
ohne schuh geh jch auf reisen.

und über mir die jetter
beugen unverdrossen verben
an eros.erben
vorbei.

o, jch bin so verdrosselt.
ooo bee, libei.

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der die das - hanglos zu summen

achter Gesang

in: Alles und Nichts …
Absurdes Theaterstück

43. die postkarte ist grün und ’möchte allein sein’ liest die frau,
legt sie in ein gebundenes fressen ein und erhebt es zu ihrer lieblingslektüre.


44. das vollendete reisegepäck,
welches unter einem ausgeprägten völlegefühl litt,
wollte sich vor der übergabe schützen und entleerte sich ungewollt
inmitten fremder leute.
so ging die reise, die nicht wuszte worauf sie eigentlich hinaus wollte,
ihrem offenen ende entgegen, aber sie wollte dem mann doch für immer
im gedächtnis bleiben.
reisegefühl mit völlegepäck


45. denen, die schon seit jahren miteinander verkehrten,
auf parkbänken, in fahrstühlen, auf treppen,
hinterhöfen und gemeinen plätzen, stellte sich nie
die frage, wer von beiden verkehrer wäre und wer verkehrter.


46. es fällt in räumen bevorzugt von der decke,
lautlos spielend, in einer fallrelevanten fallrelevanz.
das wandern des kindes von ecke zu ecke
hinterläszt rote spuren an weiszer wand.


47. das chronische badetuch hing dort wie immer.
freund von fischblase,
welcher ein ausgearteter kater mit fuchsschwanz war,
fickte den baum, der in schwanzhöhe ein kleines astloch hatte.
danach erging er sich in nachbars wiesen.
das chronische badetuch hing dort wie immer.
(kleine kaubare unendlichgeschichte)


48. rosa, die im farblichen rhythmus einer tiefen inneren unruhe ausartet,
verlottert hintergründig im gelb des umgebungsgrün.
während die gegensätze zusammenfallen, entgleitet dem inerten ihrer kalotte jegliche anziehung.
rosa jedoch bleibt lustvoll und gebiert mit dem konservierten sperma eines ebertons eine wilde zwittole.
damit setzt sie ein neues zeichen: ∃

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der die das - hanglos zu summen

siebter Gesang

in: Alles und Nichts …
Absurdes Theaterstück

37. das rot meiner iris geht in wankelgewässern. wandelnd.
jch führe nicht abgespeist den tätern das fühlen zum munde.
stehenden fuszes reiszt es mich aus der tasche falschen fleisches.
wer will mir weiszes als buntes weisz machen?
schwarz-pause in indifferenten graus.
sophisticat.


38. das betörende sommerkleid ist ein hauch aus schwebend leichten lagen.
während die korsettverschnürung hinten für eine wunderbar perfekte paszform der wespentaille sorgt,
setzt eine facettengeschliffene korallenkette am hals einen aparten akzent:
sie verbirgt die häszliche naht der geköpften auf das vortrefflichste.


39. die frau, die solange gewartet hatte bis das licht unter ihren augenlidern verloschen war
und dann den duft des schlangengiftes einatmete um in einen tiefen rausch zu fallen,
fand sich am nächsten morgen in s-förmiger verkrümmung hängend an der gardinenstange wieder.


40. der schnitt wird als vorsorge des risses getan,
sozusagen zur vorsorge des durchrisses.
so ist es in den jahren eingerissen,
den schnitt zur verhinderung des reiszens zu tun.
ein gerader schnitt wird als möglichkeit des leichteren nähens angesehen.
nun aber besinnt mann sich einer abkehr, einer abkehr des schneidens,
hin zum reiszen. das nähen wird so zu einer gröszeren herausforderung.
(aus: unterleibsbeschaffenheiten, sie unterliegen nicht mehr der diskretion)


41. als er den hang zu decken entdeckte,
beschlosz er, seine durchhängende scham
nicht länger zu verschweigen.
er sprach von nun an zu den weiben
nur noch von seinem „E-ntdeckungshang“.
das entschädigte nicht alle frauen,
aber einige beschlossen zu bleiben
und auch ihre scham nicht zu verstecken.
sie gaben sich seiner und ihrer hin,
demütige scham, in kuscheldecken.
aus: impotenz durch hängen lassen


42. das gliedertier rutscht vom fleischabhang.
die gesichtslose rachenbewegung entspricht der tierischsten luststufe:
laut A.

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totgewacht

in: the daily horror — Szene 76
Alles und Nichts …
Absurdes Theaterstück

das lachen der toten,
megane !
es ruft: übernachtungsgefahr !!
in verwitterung die
verzweigung der träume
stellen sich auf einem teller dar.

floger.
standhaft das prinzip der ordnung
des wassers.
reduktion der komplexe -
komplex ohne e,
lauter losigkeit ...
fortdauernde laufbewegung

unauffälliges
geflüster.

flucht.

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empfindung zur zeit

in: the daily horror — Szene 16
Alles und Nichts …
Tragödie

es ist eiweißhaltig aber wir haben ja nie
zeit und schlangen sind gut für die zähne,
ins fleisch zu schlagen, sich einzugraben,
in fleisch …

fleisch liegt in den gräben, weit noch
vor der zeit, und wir, in modernen zeiten,
sind von moder und gräben umgeben;
nicht der tod ist der horror -

der horror ist das leben !

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blatt 2

in: fogelprotokolle — Blatt 2
Absurdes, Alles und Nichts …

seidengerüschtes auf geneigten ebenen.
die verbeugung des herrn rollt bis auf den boden,
schlägt auf und trollt sich;
rollt davon und hinterläszt eine spur rot.
seidenströme - als er den kopf verlor.

am abend hatte er schwarz auf weisz gesetzt.
hatte ein gerüst gebaut zum erklettern der stunde
und wollte auf sterne warten, dreistundenschlaf.
nach dem erscheinen der morgensonne war er ganz golden
und sagte: o und a.

fogelvokale also. ao ao, sahneschokolade und kakao.

dann stürzte er sich nach unten und zerstob zu tausend sternen,
gieszkanne der offenbarung,
gerad in die schürze der frau (seidengerüschtes aufgeneigt),
die davon schwanger wurde und einen fogel gebar.

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manche tage könnten etwas charmanter sein

protokoll über eine wahrgenomme busfahrt

in: the daily horror — Szene 18
Alles und Nichts …

hustender mann in reihe eins.
hustet und hustet, hustet ohne ende
und übergibt sich dabei.

der bus hält.

frauchen mit hündchen steigt ein.
stellt es auf platz hinterm fahrer ab.
der bus fährt an, der hund, der bellt,

hebt das bein, scheißt auf den platz.

busfahrer hält den bus an,
dreht den kopf aus der kabine,
verweist den hund dieses platzes.

feines theater mit dem fahrer.
frauchen nimmt hündchen und geht,
beleidigt, zwei meter nach hinten ab.

kommt nicht weiter. im gang steckt eine fette frau
in nöten und engen, fest und verklemmt
zwischen den hal-te-ge-stän-gen.

der bus, der fährt.

wiederum eine frau, beisst sich in die hand.
ihr blick ist leer.
sie spiegelt ihr gesicht im fenster, hin und her.

ich sitz weit hinten. damit ich den überblick hab.
neben mir ’ne alte frau. regt sich über
„falsch geparkte schuhe“ auf.

sie keift. und während des gekeifes
fällt eis aus ihrer kopfhaut heraus.
mir wird kalt, es riecht wie auf einer deponie.

„zu falsch! viel zu falsch! es ist ein ungleiches paar!!“

so geht ihr unablässiges gekeife. ich möchte ihr den hals
umdrehen und weiss nicht wie. öffne meine tasche,
hole eines der messer hervor, schneide ihr den kopf ab.

der busfahrer hält den bus an.

er kommt aufgeregt, zu mir gelaufen
und gratuliert mir zu der kopflosen tat.
dann nimmt er den kopf und verläßt den bus, ohne fragen.

das einzige, was ich von ihm noch höre, ist:
ausgangsmaterial ... !
exit. material.

das war einer von manchen tagen.

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