Berlin–Dingle–Avranches 2017 – Malge–Seehausen, Samstag 27. Mai
in: Berlin–Dingle–Avranches 2017
Malge–Seehausen, Samstag 27. Mai
Reisen, Radreisen
-17:45-
Dirty but Gold? Auf dem Sülzeradweg (K1163), am Bahnübergang kurz hinter Langenweddingen.
Einiges später am Abend um 20:15, Ankunft in Seehausen. Den Ort als erstbesten auserkoren. Genug gefahren heute, satte 121 Kilometer in der Sonne, die Kräfte neigen sich dem Ende. Komm, die Suche nach einer Unterkunft schaffst Du noch. Durch den Ort kurven, alle möglichen knackigen Anstiege nicht auslassen, und ein paar der dünn gesäten Passanten befragen. Doch beim mehrfach empfohlenen Gästehaus des Casino Atlantis ist niemand zu erreichen, alle ausgeflogen, geschlossen, oder was auch immer. Also weiter durch den Ort kurven. Werde schließlich von einem aufmerksamen, wenn auch leicht angetrunken wirkenden Mann mit seinem PKW zu einem B&B geleitet, dass aber nicht wie ein solches wirkt. Fast alles verbarrikadiert und ebenfalls niemand der öffnet. Der PKW steht derweil weiter vorne an einer Kreuzung, blinkt mehrmals rechts und fährt schließlich ab. Radel zur Kreuzung und folge der Straße in die der PKW abgebogen ist, frage erneut eine entgegenkommende Frau, und die verweist auf ein privates B&B gleich um die Ecke. Vielleicht hat der PKW Fahrer auch genau dieses gemeint.
Eine ältere Dame öffnet schwungvoll die Tür. Sie vermiete eigentlich keine Zimmer mehr für nur eine Nacht, der Aufwand sei zu groß, und eigentlich habe sie auch nur noch ein für eine Person wohl zu teures Doppelzimmer frei, dass sie üblicherweise regelmäßig Sonntags einem Pärchen vermiete. Längerer Augenkontakt, sie schaut forsch und mit zwei sehr wachen Augen. Sehe anscheinend ziemlich mitgenommen aus von dieser hitzigen Tour, mit mehr Kilometern als geplant, an diesem zweiten heißen Tag. Denn plötzlich bietet sie das Doppelzimmer, trotz ihrer gegenteiligen Vorrede, für nur wenig mehr als den halben Preis an. Weil ich ihr sympathisch sei, wie sie sagt, und schon recht erschöpft wirke und ja auch sonst kaum noch etwas anderes fände in der Nähe, und heute sei ja erst Samstag. Schlage natürlich dankbar und erleichtert ein. Während die agile Seniorin durch das Haus führt – zum Frühstücksraum und in den Hof, durch einen geschlossenen, sonnigen Laubengang, vorbei an einer Terrasse, die sie schon seit langem für ihre Gäste fertig stellen wolle – unterhalten wir uns angeregt über meine Reise, sie, mich, ihr Haus und ihre Familie. Die Zimmer sind ebenerdig direkt vom Hof aus zugänglich. Das Zimmer nebenan hat sie an zwei polnische Arbeiter vermietet. Einer der beiden steht entspannt vor der Tür und raucht. Wir grüßen uns. Sie schließt die Tür des anderen Zimmers auf und drinnen erzählt sie von ihrem Sohn, der hier früher gewohnt habe.
Utensilien verteilen und ab ins Bad. Im Spiegel ein knallroter Kopf. Sollte vielleicht doch die Schirmmütze aufsetzen die nächsten Tage.
Unter einem überdachten Abstellplatz gegenüber den Zimmern kommt das Fahrrad zur Ruhe, eher pro forma am Stahlfuß eines Holzbänkchens angeschlossen. Die Alarmanlage bleibt ausgeschaltet, sie einzuschalten wäre doch allzu albern.
Zum Abendessen empfiehlt die Gastgeberin das neu eröffnete griechische Restaurant an der Hauptstraße. Erinnere, auf der Suche dran vorbei gekommen zu sein. Sieht gut aus. Finde draußen, auf der großen, kalkweiß ummauertem Terrasse, zwischen blauen Farbtupfern ein schattiges Plätzchen mit gutem Überblick. Viel Personal eilt hin und her. Die Musik könnte dezenter sein. Der Hunger ist groß, aber die Menge an Nudeln im Gyros Spezial ist noch größer. Lasse deshalb den Rest einpacken, in der Hoffnung auf späteren Neuhunger. Daraus wird jedoch nichts, und so darf sich am nächsten Tag der Hund der älteren Dame daran erfreuen. Drei Ouzo werden serviert, zwei vor und einer nach dem Essen, ohne sie bestellt zu haben – neu eröffnet halt. Aber passt schon, körperlich verspannt und mental immer noch nicht ganz runter vom Rad, hilft das Lakritzzeug vielleicht ebenso wie gegen das fette Futter.