Die Zeitwaisen

Textlich Bildlich Klanglich Denklich

Berlin–Dingle–Avranches 2017 – Carmarthen–Fishguard, Samstag 10. Juni

in: Berlin–Dingle–Avranches 2017
Carmarthen–Fishguard, Samstag 10. Juni
Reisen, Radreisen
Radix | Berlin–Dingle–Avranches 2017

-11:03-

National Cycle Network Route 47, kurz hinter der Bryn Farm wie zuvor, Blick zurück Richtung Osten wie zuvor + Selfie, Richtung Westen blickend.

On my way, swimming to Fishguard …


Was geschah bisher:

Nach nur knapp sechseinhalb Kilometern seit Abfahrt aus Carmarthen – die letzten zwei Kilometer von 5% auf bis zu 10% ansteigend – folgen der siebte und achte mit bis zu 12% Steigung. Bald verläuft die Straße wieder etwas flacher, bis auf 3% runter, der Puls geht ebenfalls langsam runter, bin jedoch immer noch am Schnaufen. Schließlich ist der höchste Punkt überwunden und Zeit für ein Gutwetter Selfie. Anschließend zum ersten Mal heute etwas Gefälle, bis hinunter an eine Kreuzung.


Was geschieht im weiteren:

Biege dem Weg folgend an der Kreuzung nach rechts ab, etwa 2 Kilometer hinter dem Zuweg zur Clynwyn Farm. Radle nun auf einer schmalen, beidseitig mit übermannshoher Hecke bepflanzten, einspurigen Straße, eher eine Einbahnstraße, und bleibe abrupt stehen. Vor mir die nächste Steigung. Und nicht nur die. Plötzlich erscheint 50 Meter weiter, um eine Kurve schleichend, ein kleiner LKW der ebenfalls anhält.

Die unangenehmsten Stellen sind diese kurzen, knackigen Steigungen ab ca. 16%, auf schmaler, hochbeheckter Straße mit schlecht einsehbarer Kurve mittendrin. Kann Steigungen dieser Größenordnung immer nur in 30 - 60 Meter Etappen fahren, bis zum nächsten Sekundenverschnaufstopp. Muss deshalb der Kurvensituation entsprechend takten, heißt weitest möglich vor und hinter der Kurve stoppen, jedenfalls nicht mittendrin, und dennoch hoffen, dass beim „schnellen“ Spurt vom einen zum nächsten Stopp niemand entgegen kommt.

In der aktuellen Situation ist dies zwar nicht das Problem, doch der Himmel erbricht Wasser in Strömen, und an dem LKW ist dem ersten Anschein nach kein Vorbeikommen. Er füllt den Straßenraum perfekt aus. Links und rechts Hecke. Boah, ne, nicht wieder zurück und runter bis zum nächsten Passing Place, sofern da überhaupt einer war. Was tun? Steige ab, kippe entnervt mit dem Rad gegen die stabile Hecke und versuche uns bündig in das nur marginal nachgiebige Grün zu drücken. Der LKW kommt langsam näher. Drücke die linke Schulter noch weiter in die Hecke, damit die rechte Schulter nicht den Außenspiegel streift. Schließlich bleibt er rechterhand in Höhe des Fahrerhauses auf Augenhöhe stehen. Die Seitenfensterscheibe gleitet nach unten und ein Lächeln erscheint. Das anknüpfende, lässige Gespräch ist voller Mitgefühl des Fahrers. Übliche Fragen, übliches Staunen, und üblicher Hinweis, dass Wetter solle besser werden, jedoch leider erst Nachmittags, und die ärgsten Steigungen wären geschafft. Well, der Mann kennt die geplante Strecke nicht. Muss mitten im Gespräch das Gewicht verlagern, um nicht wegzurutschen, kippe mit dem Rücken gegen die Hecke, und stelle dabei für einen Moment den rechten Fuß entgegen der Steigung und darf das angenehme Gefühl, den ganzen Fuß umspülenden, kalten Wassers mitnehmen, Wasser das die dünne Wollsocke begierig aufsaugt. Drum merke, stehst Du am Rande einer Gefällestrecke, mit kleinen Sturzbächen links und rechts des Weges, nur mit Sandalen und wasserdichten Überschuhen bekleidet, immer in Fließrichtung stehen, nie entgegen. Das Wasser hat vorne einfach die Kappe des Überschuhs unterspült und sich dann dort und im Rest des Schuhs gut gestaut. Fuck. Lasse mir nichts anmerken. Freundlich und mit den besten Wünschen – das gute Rad wirke zwar sehr stabil und wettertauglich, aber ob ich wirklich sicher sei, bis nach Fishguard weiter schwimmen zu wollen, ja, sei ich – verabschiedet er sich, nahezu besorgt, und fährt von dannen. Ein klitzekleines Gefühl der Einsamkeit kommt auf. Schwinge mit dem Fahrrad aus der Hecke raus und weiter gehts.

Regentropfen auf der Linse und echter Nebel im Hintergrund. Regentropfen auf der Linse und echter Nebel im Hintergrund.
500 Meter weiter. An dieser Stelle wäre mehr Platz gewesen.

Suche